Sicherheit vs. Aufmerksamkeit
Auf die Frage, ob ein Markenname auffallen soll oder nicht, würden die meisten wahrscheinlich antworten: Ja, er soll auf jeden Fall auffallen. Eher sogar aus dem Rahmen fallen, um sich abzuheben von der Konkurrenz. Aber wenn es dann zur Frage kommt, wie der eigene Markenname sein soll, gehört schon eine Portion Mut dazu, etwas ganz anderes zu wagen und einen außergewöhnlichen Markennamen zu erschaffen.
Das hieße nämlich auch, auf Unverständnis und Kopf schütteln oder sogar herbe Kritik zu stoßen, wenn man es eben nicht so macht wie alle anderen. Und gerade in einer Phase, in der man vielleicht selber noch unentschlossen ist, führt Kritik meistens dazu, doch lieber den sicheren Weg zu gehen.
„Bloß nichts riskieren“, scheint in der Praxis daher häufiger das Motto zu sein als „auffallen um jeden Preis“. Doch ausgeprägtes Sicherheitsdenken führt oft dazu, dass Unternehmen farblose, beschreibende und erklärende Namen wählen. Im schlimmsten Fall stellt der Konsument damit die Gleichung auf: farbloser, sprich austauschbarer Name, bedeutet austauschbare Produkte. Damit wird das Interesse des Kunden für das die Marke nicht gerade zwingend geweckt.
Die Entscheidung für einen auffälligen, andersartigen Markennamen fällt nicht leicht, denn nicht immer erschließt sich das Potenzial eines solchen Namens auf Anhieb. Wäre man doch bei einem Computer-Unternehmen nie als Erstes auf den Namen Apple gekommen, oder bei Namen für einen E-Scooter auf Tier oder Lime. Aber genau so ein Name weckt die Neugier – und neugierig machen eher Dinge, die ungewöhnlich oder provokant sind. Psychologisch betrachtet prägen sich Menschen provokante Namen besser und schneller ein. Und zwar genau deshalb, weil sie erst stutzig werden und noch einmal darüber nachdenken müssen. Wenn Firmen- oder Markennamen Emotionen erzeugen, wie Neugier oder Verwunderung auslösen, beschäftigen sich die Menschen mit ihm.
Ein starker Name, der provoziert, löst mehrere Gefühle aus: einerseits Empörung „wie können die!?“ und anderseits Achtung, denn „die trauen sich was!“. Ist ein Name in aller Munde, d. h. wird erst einmal überall darüber gesprochen und berichtet, steigt die Aufmerksamkeit. Und das Rätselraten über die Bedeutung, die nun wirklich hinter dem Namen steckt, kann den Effekt haben, dass möglichst viel über den Namen diskutiert wird.
Ein provokanter Name als gezielte Marketingstrategie
Allerdings reicht es nicht aus, wenn der Markenname einfach nur provokant ist. Nicht nur der erste Eindruck darf für Aufmerksamkeit sorgen, sondern im zweiten Schritt muss auch der Inhalt und die Message dahinter überzeugen.
Das Modelabel Acne (Ambition to Create Novel Expressions) erinnert an eine Hautkrankheit. Auf den ersten Blick wirkt der Name unpassend für ein Modelabel und man vermutet nicht wirklich einen starken Markennamen dahinter. Immerhin geht es bei Mode darum, schön zu sein, gefallen zu wollen. Dennoch, oder vielleicht gerade weil der Name für ein Modelabel ungewöhnlich ist, ist die Marke Acne überaus erfolgreich und beliebt. Und schlussendlich deshalb, weil die Produkte überzeugen.
Zum Nachteil wird ein provokanter oder gar schräger Markenname, wenn er beim Betrachter und Kunden nur negative Assoziationen weckt. Ist das Image eines Unternehmens erst einmal negativ, wird es dieses auch schwer wieder los. Ein Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein will, muss es schaffen, dass die positiven Gefühle gegenüber der Marke am Ende überwiegen. Es gilt, Emotionen in eine bestimmte Richtung zu lenken und die Fantasie der Verbraucher anzuregen.
Wichtig ist auch, dass die negative Bedeutung nicht „aus Versehen“ passiert, zum Beispiel weil man offensichtlich eine heikle Übersetzung in einer anderen Sprache übersehen hat oder die Aussprache plötzlich zu einem ganz anderen, peinlichen oder sogar anrüchigen Wort führt. So geschehen jüngst bei Audi, dessen Elektro-Linie „e-tron“ auf Französisch „Kothaufen“ heißt. Schwer vorstellbar, dass das vom Konzern als geplante Provokation gedacht war. Ist dies einmal passiert, kann man nur noch sagen: Augen zu und durch. Und hoffen, dass sich der Schaden an der Marke in Grenzen hält. Eine Überprüfung durch NameScore kann einen solchen Fauxpas verhindern.
Aus Minus mach Plus
Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und einen eindeutigen Namens-Fauxpas in einen Vorteil verwandeln. Der israelische Webseiten-Anbieter „wix“ sah sich im Deutschen Markt mit einem klaren Sprach-Problem konfrontiert. Doch man entschied sich bewusst, den Namen nicht zu ändern. Stattdessen kehrte man die Ähnlichkeit zu dem eindeutig besetzten Begriff „wichsen“ ins positiv-lustige Gegenteil. Bereits 2015 wurde eine Kampagne mit dem Titel „Ich bin ein Wixer“ gelauncht und mit Werbesprüchen wie „Wixen hat mein Leben verändert“ oder „Meine Frau hat mich vom Wixen überzeugt“ gewürzt. 2019 folgten dann neue Spots mit dem Titel „Die Kraft des Wixens“.
Eine solche Vorgehensweise ist sicher nicht jedermanns Sache und abhängig vom Produkt und Ziel des Unternehmens. Ein gelungener, starker Markenname darf aber ruhig überraschen – und polarisieren. Einen provokanten Markennamen zu wählen benötigt Mut und eine gezielte, gut geplante Marketingstrategie. In einem Umfeld, in dem die richtigen Menschen auf die richtige Weise angesprochen werden, kann so ein frecher Name durchaus erfolgreich sein – und wird in jedem Fall eines tun: Auffallen!
Fazit: Es ist also durchaus positiv, wenn ein Markenname polarisiert, weil er dann nicht „glatt gebügelt“ ist und eher auffällt. Was denkst Du?